Geld oder Kohle?

Die diesjährige Weltklimakonferenz in Glasgow, COP26, ist zu Ende. Die wichtigsten Fragen drehten sich um Geld und Kohle. Sind die Antworten nun ein Erfolg, Misserfolg oder etwas dazwischen? Was ist die Bilanz der COP26?

Einer, der das beurteilen kann, ist der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres. Er kann es deswegen abschätzen, weil er frei von nationalen Egoismen abwägt. Er spricht für alle 197 Nationen, die auf dem wichtigsten Klimagipfel seit sechs Jahren miteinander gesprochen, widersprochen, gestritten und gerungen haben.

António Guterres, UN-Generalsekretär auf der COP 26

Er sagte am Ende der COP in einer offiziellen Erklärung, es gab einige wichtige Verbesserungen, wie das Ausverhandeln des Regelbuches zum Pariser Übereinkommen und die Einigung um den Handel mit CO2-Gutschriften. Aber es ist noch lange nicht genug. Besonders mahnte er folgende Aspekte an: Geld und Kohle. Mehr Geld für die Entwicklungs- und Schwellenländer und einen schnelleren Kohleausstieg. Hier einige seiner Aussagen.

„Ich bestärke noch einmal, dass wir Subventionen, finanzielle Förderungen, von fossilen Brennstoffen beenden müssen. Wir müssen aus der Kohleförderung, aus dem Abbau von Kohle ((stufenweise)) aussteigen.“

Im englischen Original: „I reaffirm my conviction that we must end fossil fuels subsidies. Phase out coal.“

Er unterstrich auch in seiner Erklärung, wie wichtig es sei, dass die Industrieländer den Schwellenländern helfen, schneller von einer Kohlewirtschaft auf eine grüne Wirtschaft umzusteigen. In diesem Zusammenhang erwähnte er eine Partnerschaft eines Industrielandes mit Südafrika, dass ein Beispiel für solch eine Unterstützung darstelle. Das Industrieland indes nannte er nicht. Aber es ist Deutschland.

Deutschland ist auch eines der Länder, die für einen Geldtopf aus dem Anpassungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern bezahlt werden sollen, einen großen Geldanteil bereitstellt. Von etwa 1,5 Milliarden Euro in dem Fonds kommen 150 Millionen Euro, also rund ein Zehntel aus Deutschland.

Überhaupt ist Deutschland auf der Ebene der Klimafinanzierung für Projekte in armen Ländern ein Vorreiter. Daher genießt unser Land auf Klimakonferenzen als Verhandlungspartner eine hohe Glaubwürdigkeit.

António Guterres betonte wie wichtig es ist, dass Industrieländer ihre finanziellen Zusagen einhalten. Insbesondere müssten die Finanzhilfen künftig noch mehr in Anpassungsmaßnahmen und nicht nur in Minderungsmaßnahmen gesteckt werden.

Der Unterschied zwischen beiden? Mehr dazu in meinem Buch.

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Hier nur kurz:

Anpassung: Maßnahmen, um die schon nicht mehr vermeidbaren Folgen des Klimawandels, abzufangen. Beispiele: Deiche höher bauen, Siedlungen umsiedeln, Landwirtschaft auf andere Fruchfolgen oder Pratiken umstellen.

Minderung: Maßnahmen, um die Ausstöße, die Emissionen, an Treibhausgasen zu senken. Beispiele: Umstellung von Kohle- oder Erdölförderung auf erneuerbare Energien und Investitionen in CO2-arme Technologien.

Das meiste Geld aus den reichen Ländern für Klimaprojekte in den ärmeren Ländern ging bisher in Minderungsmaßnahmen. Warum ist der Unterschied wichtig? Zum einen ist das Geld, das in Minderung gesteckt wird, auch für die Industrieländer eine Investition in ihre eigene Zukunft. Oder anders gesagt, sie haben auch direkt etwas davon. Denn wenn Länder im globalen Süden, das sind meistens Entwicklungs- oder Schwellenländer, ihre Emissionen verringern, kommt das weltweit dem Klimaschutz zugute. Das verringert dann –  auch wenn man das nicht so ausspricht – den Druck in den reichen Ländern, selbst schnell oder schneller die Emissionen zu reduzieren.

Zum anderen ist das Geld der Industrieländer, das in Adaption, also Anpassung, in den Entwicklungsländern gesteckt wird, auf den kurzfristigen, wirtschaftlichen Blick – aus Sicht der Industrieländer  – verschenkt. Denn wenn in afrikanischen Ländern Menschen vor Dürren oder in Indonesien vor Überflutungen durch vorbeugende Schutzmaßnahmen gerettet werden, hat es nicht direkt positive wirtschaftliche Auswirkungen auf die Industrieländer.

Das klingt schrecklich kalt. Deswegen stellt der UN-Generalsekretär Guterres klar: „Anpassung ist nicht ein technokratischer Begriff, es handelt von Leben oder Tod.“

Im Original: „Adaptation isn’t a technocratic issue, it is life or death.“

Daher flossen bisher die meisten Hilfsgelder in Minderungsmaßnahmen. Das soll sich aber zukünftig ändern. Denn die Klimaschäden im Süden, die man mit Anpassungsmaßnahmen schnell lindern oder beheben soll, sind vor allem durch die Energienutzung und die Emissionen aus dem Norden entstanden. Daher sind die Industrieländer in einer Bringschuld. Aber es hilft auch Vertrauen weltweit aufzubauen. „Nur so gelingt Klimaschutz“, Zitat aus meinem Buch.

Guterres: „Länder vor Klimaschäden und Katastrophen zu schützen ist nicht Wohltätigkeit. Es ist Solidarität und erkanntes Selbstinteresse.“

Im Original klingt es wie im Reim: „Protecting countries from climate disaster is not charity. It is solidarity and enlightened self-interest.“

Für nüchterne Seelen mag das alles völlig übertrieben klingen.

Nun, dann widmen wir uns noch einem anderen Menschen, der etwas zur COP26 sagen kann. Es ist der Präsident der COP26 selbst, der britische Finanzpolitiker Alok Sharma.

Der britische Politiker Alok Sharma ist Präsident der COP 26.

Mit Verlaub, aber Herr Sharma steht in keiner Weise im Verdacht ein Weichei oder nah am Wasser gebaut zu sein. Und doch geschah etwas sehr Beeindruckendes. Es war Samstagabend, schon einen Tag nach dem offziellen Ende der COP, und Alok Sharma verlas das Abschlussdokument Absatz für Absatz, um es danach zu beschließen. Nun gab es diese Passage darin zur Kohle. Also nicht zum Geld, wie im Deutschen das Wort Kohle auch benutzt wird, sondern natürlich in dem Fall zum braunen oder schwarzen Brennstoff aus dem Boden: der Braun- oder Steinkohle.

Um diese Passage wurde während der gesamten Konferenz am härtesten gerungen. In einer früheren Version hatte noch im Text gestanden, dass die Länder darin übereingekommen sind, die Kohleförderung auslaufen zu lassen, auf Englisch „phase out“ coal. Jetzt stand aber dort „phase down“ coal, also sie nur zu verringern. Das ist eine komplett andere Wendung: entweder man lässt Kohle auslaufen, also endet die Kohleförderung, oder man verringert sie, das heißt, man lässt sie weiterlaufen, aber in geringerem Umfang.

Was für einige wenige Kohle-Länder ein nationaler Sieg ist, wie für China und Indien, die Kohle noch weiter nutzen wollen, ist für den Rest der Welt eine schwere Niederlage im Kampf gegen den Klimawandel. Das wissen alle – alle, die an dem Abend, am Samstag, dem 13. November in dem großen Saal auf dem Konferenzgelände in Glasgow sitzen. Alok Sharma, als Verhandlungsführer während der zwei Wochen, muss sich diese Niederlage in der Diplomatie auch selbst ankreiden – zurecht oder zu unrecht. Aber er zeigt jetzt, wo er diese weich gewaschenen Passagen, diesen schlechten Kompromis für den Klimaschutz, den KomproMIST, vorlesen muss, Gefühle.

Dem sonst so selbstbewussten, redegewandten britischen Politprofil, fehlen plötzlich die Worte –  er entschuldigt sich und macht eine … Rede-Pause. Er kann nicht weiterreden!

„Ich möchte mich bei allen Delegierten entschuldigen, wie sich dieser Prozess schließlich entwickelt hat. Ähm, ich bin untröstlich. Ich verstehe die tiefe Enttäuschung [von vielen]. Aber ich denke, wie Sie wissen, dass es wichtig ist, dass wir diese Passage überhaupt verabschieden können [sonst hätten wir sie gar nicht drin gehabt].“

Im Original: „May I just say to all delegates, I apologizes for the way this process has unfolded. And ahm, I am deeply sorry. I also understand the deeply disappointment. But I think as you have noted, it is also vital that we protect this package.“

– Redepause.  – Stille im Saal. Manche verstehen erst gar nicht, was los ist. Als sie es begreifen, klatschen sie. Applaus aus dem Saal – erst zögerlich, dann immer stärker. Applaus nicht für die Passage, sondern für die Emotionen. Respekt und Anerkennug, dass Alok Sharma mit den Tränen kämpft, weil er es nicht besser ausgehandelt hat. Dafür bittet er um Entschuldigung. Hier bekommen die Klimaverhandlungen das, was sie neben dem wissenschaftlichen Verstehen brauchen: Herz und Mitgefühl.

Alok Sharma, Präsident der COP 26, kämpft mit den Tränen.

Diese Szene ging um die Welt. Ein harter Verhandler kämpft mit den Tränen – er weiß um die Enttäuschung, er ist selbst enttäuscht.

Für mich ist das eine der zentralen Szenen der gesamten Weltklimakonferenz. Sie spricht Bände.

Denn wer einmal verstanden hat, um was es geht, den können Rückschläge beim Kampf gegen den Klimawandel nicht mehr kalt lassen. Da António Guterres das schon lange weiß, redet er auch so eindringlich. Da auch Alok Sharma das nun verstanden hat, kommen ihm die Tränen – angesichts der vertanen Chance: nicht Ende der Kohleförderung, sondern nur eine Verringerung. Das ist nicht genug. Das ist ein Verhandlungsfehler, ein Misserfolg.

Angesichts der Not, die uns alle betrifft, ist sie offensichtlich noch nicht groß genug, damit alle Länder sich wirklich zusammentun. Damit 197 Länder auf eigene Vorteile verzichten und sich einigen, einschwören und aufmachen, das Klima zu schützen, ist die Not noch nicht groß genug. Das ist das Fazit der COP26: immer noch nicht.

Lausitzwelle TV Antworten auf Umfrage in Senftenberg

Welche Fragen haben die Menschen in der Lausitz zum Klimawandel? Wie sehen sie die Einschränkungen, die durch Klimaschutzmaßnahmen auf sie zukommen? Auf die Umfrage vom Marktplatz in Senftenberg antwortete ich am nächsten Tag im Studio der Lausitzwelle in Hoyerswerda.

Gesendet am 15. November. Länge: knapp 8 min.

Hinweis: Ein Klick auf dieses Bild öffnet das Video. Es werden dabei Daten zu Google übertragen.

Wir brauchen einen Lausitzer Bürgerrat fürs Klima. Damit die Menschen, die hier leben, mitentscheiden können, was gut fürs Klima und gut für das Leben vor Ort ist. Das ist für mich ein Ergebnis aus der Umfrage aus dem Lausitzer Seenland.

Die Lausitz ist in Deutschland eine der Regionen, die den Klimawandel langfristig am stärksten zu spüren bekommen. Wirtschaftlich und wettertechnisch. Diese Veränderungen sind nicht aufzuhalten. Deswegen sollten wir sie mitgestalten als sie nur zu erdulden. Jede Veränderung schmerzt. Es hilft zu verstehen, was dabei passiert.

Die Lausitzwelle hat ihr Sendegebiet in der ganzen Lausitz, im Teil von Brandenburg und im Teil von Sachsen. Sie sendet aus Hoyerswerda in Sachsen direkt an der Grenze zu Brandenburg. Sie widmet sich auch den Schmerzthemen: Strukturwandel und Klimawandel.

Artikel im Cicero: CO2-Entnahmetechnologien

Wer immer nur CO2 in die Luft entlässt oder das zu langsam verringert oder beendet, muss sich irgendwann fragen, wie man CO2 wieder aus der Luft herausholt. Ohne CO2-Entnahmetechnologien wird Klimaschutz nicht klappen. Mehr auf Cicero online.

Cicero Magazin, Online Artikel vom 12. November 2021

Was der Wald durch Photosynthese schafft, lässt sich auch mit Technologie erreichen: der Luft CO2 entnehmen / dpa

Klimaschutz
CO2-Entnahme: Innovation statt Verbote

Ein strittiger Punkt auf der Klimakonferenz in Glasgow war die Frage nach dem internationalen Handel mit Emissionsrechten, also Rechten oder Gutschriften, um Treibhausgase auszustoßen. Die Rechte sind kostbar, weil es in Zukunft immer teurer werden wird, CO2 auszustoßen. Ein neuer Absatzmarkt bietet sich an: Technologien zu entwickeln, die Emissionen senken, vermeiden oder sie sogar zurückholen.
VON ANJA PAUMEN am 12. November 2021

Cicero – Magazin für politische Kultur

Lausitzwelle TV Interview zu Beginn der COP26

Interview mit der Lausitzwelle, TV und Radio aus Hoyerswerda. Was kann die Weltklimakonferenz COP26 leisten und was bedeutet das für die Lausitz?

Gesendet am 5. November im Fernsehprogramm der Lausitzwelle. Länge 5:20 min.

Hinweis: Ein Klick auf dieses Bild öffnet das Video. Es werden dabei Daten zu Google übertragen.

In der ersten Woche der COP26, der Weltklimakonferenz in Glasgow, standen die Zeichen gut. Die Staats- und Regierungschefs mahnten zu Fortschritten und die Stimmung in der deutschen Delegation war dementsprechend optimistisch.

Die Lausitz ist in Deutschland eine der Regionen, die den Klimawandel langfristig am stärksten zu spüren bekommen. Wirtschaftlich und wettertechnisch. Diese Veränderungen sind nicht aufzuhalten. Deswegen sollten wir sie mitgestalten als sie nur zu erdulden. Jede Veränderung schmerzt. Es hilft zu verstehen, was dabei passiert.

Die Lausitzwelle hat ihr Sendegebiet in der ganzen Lausitz, im Teil von Brandenburg und im Teil von Sachsen. Sie sendet aus Hoyerswerda in Sachsen direkt an der Grenze zu Brandenburg. Sie widmet sich auch den Schmerzthemen: Strukturwandel und Klimawandel.

MDR Kultur – Interview mit Anja Paumen

MDR KULTUR am Morgen

Die Fragen stellte Thomas Bille.

1.11.2021, 06:15 Uhr – COP26 – Wie noch die Kurve kriegen?
Klimaschutz brauche vor allem eines: gute Vermittlung. In ihrem Buch „Projekt Klima – Was jetzt geschehen muss, um noch die Kurve zu kriegen“ zeigt die Biologin und Buchautorin Anja Paumen Lösungsansätze und Motivationen für effektiven Klimaschutz.

Saarländischer Rundfunk – Interview mit Anja Paumen

Was sollten wir als Erstes anpacken, um beim Klimaschutz keine Zeit mehr zu verlieren, wollte die Moderatorin im Interview auf SR 2 von mir wissen. Weitere Fragen bezogen sich auf die Rolle von Gas und Wasserstoff für die Energiewende und natürlich was die Weltklimakonferenz in Glasgow, COP26, bringen kann.

Näheres dazu im Interview auf dem Kultursender SR2 des Saarländischen Rundfunks mit der SR2-Moderatorin Katrin Aue.  Das Interview zum Nachlesen zusammengefasst auf der SR-Homepage

oder zum Nachhören in der SR-Mediathek

„Wasserstoff ist ganz, ganz wichtig“

Audio | 29.10.2021 | SR 2 – Katrin Aue / Anja Paumen

Wasserstoff ist bei der so genannten Transformation, der Umgestaltung der fossil basierten Wirtschaftsweise zu einer auf erneuerbaren Energien aufbauenden, besonders entscheidend. Das ist besonders für das Saarland interessant, weil das Bundesland  sich eine eigene Wasserstoffstrategie gegeben hat. Wasserstoff ist auch für die Dekarbonisierung, die „Befreiung von Kohlenstoff“ in der Stahlherstellung unerlässlich. Und die Stahlindustrie spielt im Saarland an der Grenze zu Frankreich traditionell eine große Rolle. Saarland könnte bei der Weiterentwicklung von Wasserstofftechnologien daher eine Vorreiterrolle übernehmen.

„Projekt Klimaschutz“ hat begonnen

Mein neues Buch „Projekt Klimaschutz“ ist soeben im Buchhandel und im Internet erschienen.
Warum es anders ist als alle anderen Klimabücher, ist schnell erzählt. Warum es hilft, die Kurve der Emissionen zu drücken auch. Aber das steht im Buch selbst.

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ISBN: 978-3-96238-295-7
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Pressemitteilung zum Erscheinungstermin

 

Sprechen wir über Schuld

Wenn die noch amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Schuld angesprochen wird, fehlen ihr die Worte. Angesichts der Zerstörung wirkte die Regierungschefin fassungslos. Dafür kenne die deutsche Sprache kaum Worte, sagte sie. Das, was sie in Schuld sah, sei surreal und gespenstisch.

Aber was bedeutet das, wenn wir von surreal und gespenstisch sprechen? Dem ging der Kulturwissenschaftler Moritz Ingwersen nach. „Surreal“ stehe für vermeintlich fremd, sagte er in einem Vortrag dieser Woche in Dresden. Wörtlich übersetzt steht „surreal“ für überwirklich, also der Wirklichkeit entzogen, darüber stehend oder schwebend. In der Kunst würde man mit dem Wort „surreal“ auch Traumlandschaften beschreiben, erklärte der Juniorprofessor der TU Dresden. Wirklichkeit und Träume verschwimmen in surrealen Bildern.

„Gespenstisch“ stehe für etwas Fremdartiges, so Jun.-Prof. Ingwersen weiter, aber nicht nur. Denn in dem Wort stecke auch die Bedeutung, dass dieses Gespenstische ein Zeichen für ein Trauma sein kann. Etwas, was wir Menschen irgendwann schon einmal gesehen und erlitten haben. „Wir haben etwas verdrängt. Es war also schon da“, interpretiert Ingwersen das Wort. Das Gespenst kehrt wieder zurück.

Was aber ist Verdrängung? Im Sport ist das Wort geläufig. In der Sportschau berichtet der Kommentator, dass Bayern München Borussia Dortmund von dem ersten Platz verdrängt hat. Mag sein, dass es für die Borussen auch eine Art von Trauma ist, schließlich war es sicherlich nicht das erste Mal.

Dass die Fußballer von Dortmund wie Reus oder Haaland in der Folge aber daran gehindert sind, ihren Alltag zu bewältigen, darf bezweifelt werden.

Bild aus einem Video des Spiels Dortmund gegen Bayern im Supercup 2021. Quelle: ZDF

Kurzum: Beim Sport vom ersten Platz verdrängt zu werden, ist doof, aber gehört zum Sport dazu. Das weiß jede/r Sportler:in und weil sie/er das weiß, kann sie/er sich auch stark dagegen wehren. Diese Tatsache zu verdrängen, wäre in dem Fall sogar kontraproduktiv.

In der Lehre von der Seele, der Psychologie, hat Verdrängung aber eine ganz andere Funktion. Denn hier ist Verdrängung eine Schutzfunktion für die Seele. Verdrängt wird ein schwer zu verarbeitendes Erlebnis, das uns das Weiterleben erschweren könnte, wenn wir weiter daran denken würden. Daher müssen wir es vergessen oder es so weit wegpacken, dass wir das Erlebte nicht mehr sehen oder uns daran erinnern. Gerade weil das Ereignis nicht oder nur schwer zu verarbeiten ist, schieben wir es aus einer Notsituation heraus weit weg in die Tiefen unseres Bewusstseins, was dann das Unterbewusstsein ist. Damit ist das Erlebte nicht mehr bewusst. Es ist aber unterbewusst noch da. Das Ereignis oder genauer gesagt die Erinnerung daran schlummert in uns wie ein unterirdisch aktiver Vulkan.

Wenn das so ist, dann sind die Worte der Kanzlerin in Schuld neu zu bewerten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel am 18. Juli 2021 in Schuld im Ahrtal. Quelle: ARD Mediathek

Das, was sie am 18. Juli bei ihrem Besuch in dem zerstörten Eifelort Schuld sieht, sei surreal und gespenstisch, weil es für sie unwirklich und vermeintlich fremd ist. Aber eben nur vermeintlich also nicht wirklich fremd! Das hat sie und das haben wir genauso schon einmal gesehen. Wir – wie die Kanzlerin auch. Diese Bilder kennen wir aus anderen Teilen der Erde. Uns jetzt kommt das Entscheidende: Wir wissen auch was dahinter steckt. Wir wissen es, wollen es aber nicht wahrhaben. Verdrängung!

Wir können Erlebtes verdrängen oder nur das Wissen darum. Auch das Wissen lässt sich verdrängen, weil es genauso schmerzhaft sein kann wie etwas konkret Erlebtes. Denn auch Wissen wird von uns erlebt: Wir sehen Bilder, hören Nachrichten, lesen Informationen und haben dann dazu Gefühle, die uns so schmerzen, dass wir sie verdrängen wollen. Verdrängtes kommt also ursprünglich aus der Wirklichkeit. Es ist oder war zu einem bestimmten Moment wahr, echt und real. Danach haben wir es aber aktiv vergessen wollen und deswegen verdrängt.

Aber jetzt angesichts von Schuld können wir es nicht mehr verdrängen.

Es poppt wieder hoch: Wie ein Korken, den wir unter Wasser drücken wollen. Wir alle wissen was hinter der Flutkatastrophe im Ahrtal, an der Erft und der Wupper steckt. Der Klimawandel.

Ganz ehrlich: Verdrängung ist kurzfristig sinnvoll, aber auf Dauer macht es alles nur schlimmer. Ich habe ein Mittel für Sie und dich gegen die Verdrängung des Klimawandels. Es ist ein Mittel, das gut verträglich ist und deren Gebrauch Heilung in Aussicht stellt.

Heilung für unsere Seele und unsere Erde: Wir können etwas gegen den Klimawandel tun.

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Das neue Buch: Projekt Klimaschutz, erscheint im oekom Verlag

Erscheint am 5. Oktober im Buchhandel. Jetzt schon vorbestellbar.